Sechster Monat

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02.09.2012 (Tag 154): Der Nachbar klettert wieder auf seinem Dach herum. Er hat eine neue Satellitenschüssel bekommen, die muss nun fachmännisch montiert werden, wie die beiden anderen, die er schon hat. Der Hof bietet ein Durcheinander an Linien. Die Satellitenschüsseln fallen schon allein durch ihre runde Form auf (Formkontrast). Hinzu kommt, dass sie fast im Zentrum des Bildes liegen und die beiden Seitenlinien des Daches den Blick dorthin leiten. Auch der Nachbar steht an der Kreuzung zweier Linien (die andere Dachseite). Durch das helle Hemd wird er zusätzlich zu einem wichtigen Bildelement. Schüsseln und Nachbar “schauen” sich an. Ein Kabel verbindet beide. Ob mein “Blick aus dem Fenster” so berühmt wird wie der von Nicéphore Niépce kann dennoch bezweifelt werden. Aber das war auch gar nicht mein Bestreben.
03.09.2012 (Tag 155): Ein Bild auf die Schnelle: Der Wasserhahn in einem Kunstraum in einer alten Schule. Auf dem zweiten Blick ist das Bild richtig bunt.
04.09.2012 (Tag 156): Kathrin ist mit ihrem Hund Noah zu Besuch. Noah ist zwar jung und aufgedreht, aber kann niemanden etwas zuleide tun. Für diese “Action-Foto” musste ich Noah ganz schön piesacken. Der Ausschuss war relativ hoch. Licht war auch nicht soviel vorhanden. Ich wollte das Bild aber auch leicht verwackeln, um die Dramatik zu steigern.
05.09.2012 (Tag 157): Für dieses Foto habe ich eine Wand, an der sich ein paar Steine stapeln, senkrecht nach unten fotografiert. Am Computer habe ich das Bild um 180 Grad gedreht, sodass die Wand als Boden erscheint.
06.09.2012 (Tag 158): Kathrin ist wieder zu Besuch (wieder mit Noah, siehe 04. September), aber diesmal musste ihr Zeichen-Set dran glauben. Sie zeichnet gerade den Stadtplan für die diesjährigen Wilhelmsburger Ateliertage. Mich hat das kleine Metallkästchen an meine eigenen Zeichenversuche erinnert.
07.09.2012 (Tag 159): Oh Gott! Heute hätte ich doch fast mein Projektfoto vergessen. Kurz vor dem Einschlafen fiel es mir dann wieder ein, dass ich ja noch kein Bild habe. Also musste ich – wohl oder übel – wieder aufstehen. Ich habe mir schnell meine Kompaktkamera geschnappt und bin durch die nächtliche Wohnung getapst. Das Handy auf der Ladestation leuchtete mich an. Ich glaube, das Foto beschreibt die Gesamtsituation ganz gut.
08.09.2012 (Tag 160): Auf der Suche nach meinem Tagesmotiv hat es mich in die Werkstatt verschlagen. Die Kreissäge animierte mich zu einem sehr grafischen Motiv. Ich habe noch überlegt, ob ich die runde Reflexion in der Bildmitte wegstempeln soll, habe mich aber dann dagegen entschieden.
09.09.2012 (Tag 161): Bei diesem Foto gefällt mir der Kontrast zwischen dem Chrom-glänzenden Motorrad und dem alten landwirtschaftlichen Gerät im Hintergrund. Das Bild habe ich nach S/W umgewandelt, weil der gelbe Blinker des Motorrades sonst zu dominant gewesen wäre. Auch das harte Seitenlicht spricht für S/W.
10.09.2012 (Tag 162): Abends mit einer schönen Frau im Eiscafé. Hier zeigen sich schon deutliche Qualitätseinbußen der Kompaktkamera. Allerdings lebe ich nach dem Motto: Die beste Kamera ist die, die man dabei hat.
11.09.2012 (Tag 163): Ich habe wirklich keine Ahnung, warum man sich freiwillig einen solchen Aufkleber auf das Auto klebt. Als ich heute morgen mit dem Fahrrad an dem Auto vorbeigeradelt bin, wusste ich, dass ich mein Tagesmotiv gefunden habe. Also habe ich schnell die Kamera geholt und gehofft, dass der Wagen nicht schon wieder weggefahren ist.
12.09.2012 (Tag 164): Auf dem WC hängt ein Abfallkorb aus Draht für benutzte Papier-Handtücher. Ich dachte mir, wenn ich den von der Seite mit Licht beleuchte, dann sollten ich viele verschiedene Helligkeitsstufen bekommen, je nachdem, durch wie viele Papierschichten das Licht muss.
13.09.2012 (Tag 165): Mein Zug hat 25 Minuten Verspätung. Was also machen? Die Zeit doppelt nutzen: Den Hunger stillen und ein Tagesfoto machen. Ich entschied mich für eine Ego-Shooter-Perspektive. Pommes und Jeans bilden eine Gelb/Blau-Komplementärfarben-Kontrast.
14.09.2012 (Tag 166): Demletzt bin ich schon mal an einer Fahrschule vorbeigegangen, die Modellautos in wilder Kombination auf einem Straßenplan-Teppich im Schaufenster stehen haben. Damals dachte ich schon, dass könnte ein Fotomotiv sein. Als ich nun bei der zweiten Fahrschule im Fenster eine solche Installation sah, konnte ich nicht mehr an mich halten. Die Reflexionen des Schaufensters versuchte ich minimal zu halten. Außerdem war eine Schwierigkeit, nicht auch noch das Mobiliar mit auf das Bild zu bekommen.
15.09.2012 (Tag 167): In Nürnberg am Bahnhof genieße ich am Samstag in der Frühe einen Kaffee. Von der Galerie aus hat man einen guten Blick auf das Treiben in der Haupthalle.
16.09.2012 (Tag 168): Der Kinderbauernhof hat zwei Papageien. Leider muss man durch ein Gitter fotografieren. Ich habe schnell festgestellt, dass man dieses Gitter immer auf dem Foto auch sehen wird und entschied mich daher für eine künstlerische Darstellung. Ich wählte eine längere Belichtungszeit um ebenfalls (Bewegungs-)Unschärfen im Bild zu haben. Als sich einer der beiden Papageien kopfüber an die Stange hing, machte ich dieses Foto.
17.09.2012 (Tag 169): Meine alte, angestaubte Praktica Super TL 1000 hat ihren Weg nach Hause zurückgefunden. Nun bekommt sie einen Ehrenplatz in meinem Foto-Atelier.
18.09.2012 (Tag 170): Heute kam ein Paket an. Das Papier, dass zum Polstern verwendet wurde hat eine braune und eine silberne Seite. Das Foto zeigt den Blick in den Karton. Sofort war mir klar, dass dieses Motiv ideal zum Heranzoomen geeignet ist. Die dabei entstandene silberne Figur erinnert mich an zwei Vögel im Spiel.
19.09.2012 (Tag 171): Heute wollte ich unbedingt früh morgens mein Tagesfoto machen. Mittlerweile merkt man schon, dass die Tage wieder kürzer werden und wenn ich morgens im Büro ankomme, steht die Sonne noch schön tief. Ideal eigentlich für ein frühes Foto. Dieser Schatten eines Zaunes hat mein Interesse geweckt. Links sind die Schatten noch relativ scharf. Nach rechts werden sie immer diffuser. Dieses Bild bietet sich einfach für S/W an. Zumal das gelbe Laub ansonsten sich sehr in den Vordergrund drängt.
20.09.2012 (Tag 172): Gegenüber von meinem Schreibtisch steht auf einem Tisch ein einfacher Karton, der offensichtlich aus China kommt. Schon länger lachen mich die kryptischen Abkürzungen und Nummern auf dem Karton an. Heute war es dann so weit. Ich habe mich für eine steile Perspektive von schräg unten und eine geringe Schärfentiefe entschieden. So konnte ich das “China” aus “Made in China” gut herausarbeiten.
21.09.2012 (Tag 173): Das Besondere an diesem Foto ist die Belichtungszeit von etwas mehr als drei Minuten. Diese habe ich mit einem 6-fach Graufilter erreicht. Ich wollte ein Langzeit-Portrait machen. Nach dem ersten Versuch stellte ich fest, dass das Bild nur mit der Bewegungsunschärfe langweilig ist. Etwas Statisches fehlte im Bild. Also habe ich Schaufensterpuppe Jenny ins Bild geschoben. Diese steht schon leicht außerhalb der Schärfentiefe. Die Ausleuchtung erfolgt über Tageslicht durch ein Fenster.
22.09.2012 (Tag 174): Katarina hat eine 2 Meter große “Nana” gebaut. Sie liegt auf einem Tisch. Das ermöglicht mir eine Perspektive “wie-von-oben”. Leider stört das Umfeld, was bei der Komposition ein wenig einschränkt.
23.09.2012 (Tag 175): Schon wieder sind wir auf dem Kinderbauernhof. Schnitzel, das Schwein bekommt sein Essen. Es sind mehrere Fotos entstanden. Ich habe mich für dieses entschieden, weil die Haare an den Ohren am besten herauskommen.
24.09.2012 (Tag 176): Jenny, meine Schaufensterpuppe musste heute die Hüllen fallen lassen. Da Jennys “Haut” irgendwie überhaupt nicht menschlich ausschaut, habe ich das Bild weichgezeichnet. Die Umwandlung nach S/W soll den Eindruck eines Aktbildes verstärken. Auch für dieses Foto habe ich wieder Tageslicht, welches durch ein Fenster fällt verwendet.
25.09.2012 (Tag 177): Ich muss gerade ziemlich viel Papier mit meiner Papierschneidemaschine schneiden. Bei soviel monotoner Arbeit kann man schon mal gedanklich abschweifen und im Kopf ein Bild inszenieren. Die Umsetzung geht dann schnell: Ein Schuss – ein Treffer.
26.09.2012 (Tag 178): Am Wochenende habe ich eine Ausstellung. Ein Teil der Fotos hängt schon fertig gerahmt. Meine Rahmen verfügen nicht über entspiegeltes Glas und so dachte ich, ich fotografiere heute meine Bilder als Reflexion. So entsteht ein neues Bild und ich brauche nicht einmal eine Sonderanfertigung für das Passepartout.
26.09.2012 (Tag 178): Am Wochenende habe ich eine Ausstellung. Ein Teil der Fotos hängt schon fertig gerahmt. Meine Rahmen verfügen nicht über entspiegeltes Glas und so dachte ich, ich fotografiere heute meine Bilder als Reflexion. So entsteht ein neues Bild und ich brauche nicht einmal eine Sonderanfertigung für das Passepartout.
27.09.2012 (Tag 179): Für die Ausstellung am Wochenende räume ich mein Atelier auf. Dabei bin ich auf das abgebildete Stromkabel gestoßen, welches zusammengeknüddelt herumlag. Ich dachte mir, damit kann man bestimmt was machen. Für passenden Hinter- bzw. Untergrund habe ich das Kabel einfach auf den Fußboden gelegt und mich mit Kamera daneben. Nun musste ich nur noch aufpassen, dass keine Fußleiste oder ein anderer Gegenstand mit ins Bild kommt. Das Originalbild ist auch “in Farbe” monochrom. Die Umwandlung nach S/W lag also nahe.
28.09.2012 (Tag 180): Das Motiv ist ein großer Weidenkorb. Das Bild hat eine kurze Entstehungsgeschichte: Mein erster Versuch hatte noch ein Seil, welches scharf abgebildet vor dem im Hintergrund unscharfen Korb verlief. Das Seil gefiel mir nicht, der unscharfe Korb schon. Beim zweiten Versuch hatte ich den Fokus manuell auf Unendlich stehen und nur den Korb fotografiert. Das Bild war mir dann aber doch zu “schwammig”. Beim dritten und letzten Versuch habe ich den Fokus kurz vor die linke Ecke des Korbes gelegt. So ist das Bild links schärfer als rechts, aber trotzdem nicht richtig scharf.
29.09.2012 (Tag 181): Bei unserer Ausstellung heute spielte die Gruppe “Friendship”. Ein Eindruck vom Rhythmus.
30.09.2012 (Tag 182): Ich habe am Wochenende die Fotos meines 365-Tage Projektes ausgestellt. Insgesamt kam ich dabei auf eine Länge von mehr als 40 Meter – Bild an Bild. Die Frage stellt sich, was mache ich mit den Bildern, wenn das Projekt zu Ende ist. Übermorgen ist erst Halbzeit.
01.10.2012 (Tag 183): Ich habe eine Gerbera geschenkt bekommen. Heute morgen schien die Sonne so schön durch den Baum vor meinem Fenster und das Licht spielte mit der Blume auf dem Tisch. Das habe ich versucht einzufangen.

Projekt-Zwischenresümee

Heute ist Halbzeit. Ich bin selber überrascht, dass ich immer noch jeden Tag Motive für neue Fotos finde. Leider hatte ich diesen Monat sehr, sehr wenig Zeit zum Fotografieren und das wird auch im kommenden Monat so bleiben. Insofern ist es schön, dass ich das Projekt habe, sonst würde ich über Tage (und vielleicht Wochen) keine Kamera in die Hände nehmen. Immer öfter stelle ich mir die Frage, was wird nach meinem Projekt kommen? Zum einen, was wird mit mir? Falle ich in ein schwarzes Loch? Was mache ich mit der freien Zeit stattdessen? Mache ich einfach weiter? Zum anderen stelle ich mir die Frage, was mache ich mit den Bildern, die entstanden sind? Ein Fotobuch? (Bei 100 Seiten müsste ich vier Fotos auf eine Seite quetschen.) Nur noch mit den besten Fotos weiterarbeiten? (Schade um die Vielfalt). Aber man soll den Tag nicht vor dem Abend loben. Es ist erst Halbzeit. Ein großer Teil Arbeit liegt noch vor mir…

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