Nach dem Sturm

Ich bin im Rheinland aufgewachsen und habe, bevor ich 2014 nach Hamburg kam, etwa 10 Jahre in Bayern gelebt. Neu in Hamburg sind mir hier zwei Dinge aufgefallen:

  1. In Hamburg gibt es viel starken Wind.
  2. Nach einem stürmischen Tag stecken in vielen Abfalleimern kaputte Regenschirme.

Seit ein paar Jahren fotografiere ich diese Regenschirme, denn sie sind ein Teil meines Bildes von Hamburg. Am Anfang stellte ich mir vorwiegend die Frage, ob ein Regenschirm überhaupt geeignet ist, jemanden bei Sturm vor Regen zu schützen oder ob ein Regenmantel nicht vielleicht besser geeignet wäre. Im Laufe der Zeit stellten sich immer mehr Fragen ein:

  • Welche Chancen haben wir Menschen überhaupt gegen die Natur(gewalten)?
  • Versuchen wir uns mit Wegwerfprodukten vor den Naturgewalten zu schützen?
  • Ist ein Regenschirm überhaupt ein Wegwerfprodukt wie ein Stück Küchenrolle oder ein Einwegbesteck?
  • Ist ein Regenschirm nicht eigentlich viel zu komplex und materialintensiv, um ihn einfach nach jedem heftigen Wind zu entsorgen?
  • Gibt es Sturm-sichere Regenschirme?
  • Was glauben wir, womit wir uns gegen andere Naturphänomene schützen können? Zum Beispiel gegen eine Überflutung? Immerhin steigen ja die Meeresspiegel…

Während des kalten Krieges glaubte man, in einem Bunker mit Jod-Tabletten und anderem Schnickschnack im Falle eines atomaren Angriffes überleben zu können. Heute wissen wir, dass dies Quatsch ist. (Die Führung im Tiefbunker am Berliner Tor durch den Verein “unter hamburg e.V.” ist sehr zu empfehlen!)

In den 90er Jahren sah ich einen Fernsehbeitrag in dem es darum ging, dass man durch die Architektur Winde in der Stadt beeinflussen kann. Je nach Bauart des Hauses wird der Wind in den Straßen gelenkt, abgeschwächt oder intensiviert. Das kann man berechnen – zumindest sagte man das in der Sendung vor etwa 40 Jahren. Ist das Thema Wind heute immer noch in der Architektur von Bedeutung?

Am Channel-Tower in Harburg (Baujahr 2001-03, Karnapp, Ecke Schellerdamm) gibt es ein paar Quadratmeter. Michael Eicks vermutet, dass dort noch nie ein Tropfen Regen hingefallen ist, weil es an der Ecke immer stark zieht und der Regen weggepustet wird.
Im Luna-Center in Wilhelmsburg (Baujahr: 2012-14) wird eine von fünf elektrischen Eingangstüren bei Sturm abgeschlossen.

Schauen wir uns heute mal im öffentlichen Raum um: Straßenbäume werden immer seltener, denn sie benötigen Pflege, “verschmutzen” unsere schönen Straßen mit Laub und kosten daher Geld. Unser Klima wird immer heißer. Ein wenig Schatten auf einem asphaltierten Platz wäre doch sicherlich in Zeiten der Klimaerwärmung wünschenswert. (Mal abgesehen von den anderen positiven Nebeneffekten von Bäumen.)

Vielleicht aber setzen wir auch den Regenschirm falsch ein und sollten ihn nur noch an heißen, sonnigen Tagen nutzen, um ein wenig Schatten zu finden. Einen solchen Einsatz sollte ein normaler Regenschirm unbeschadet überstehen.